| Benjamin Raab handelt mit Gold und verdient nicht 
                schlecht dabei. Ein großes Haus in bester Lage und ein schicker 
                Sportwagen zeugen davon. Dummerweise gehört zu seinen besten 
                Kunden ein kolumbianisches Drogenkartell. Und eines Tages hat 
                ihn das FBI wegen Geldwäsche am Wickel. Für seine Familie 
                bricht eine Welt zusammen. Vor allem Kate, die älteste Tochter, 
                weiß nicht mehr, was sie von ihrem Vater halten soll. War 
                er nur naiv, als er sich mit gefährlichen Gangstern einließ, 
                oder wusste er genau, was er tat? Und weil in Andrew Gross' Thriller Blut 
                und Lüge nichts so ist, wie es zunächst scheint, 
                fällt die Antwort auf diese Frage ganz anders aus, als es 
                sich Kate jemals hätte ausmalen können.
 Der Autor hat nämlich einen ziemlich raffinierten Plot erdacht, 
                der zeitweise sogar dabei hilft, seinen eher hausbackenen Erzählstil 
                zu ignorieren. Das ist allerdings auch bitter notwendig, denn 
                schlichte Sätze, deren Funktion sich weitgehend in der Wiedergabe 
                einer Handlung erschöpft, bereiten gewöhnlich kein großes 
                Vergnügen. Regelmäßig scheitert Gross daran, wirkliches 
                Interesse für seine Protagonisten zu wecken. Wenn er versucht, 
                existenzielle Krisen angemessen zu illustrieren - "Ihr war, 
                als versinke mit dem Bahnsteig auch ihre ganze Vergangenheit in 
                der Finsternis" -, wirkt das wie eine bloße Behauptung. 
                Deshalb stört es auch nicht weiter, wenn Kate am Ende des 
                Romans all die furchtbaren Erlebnisse, die uns in Spannung halten 
                sollen, offenbar locker verarbeiten kann. Nun gut, "irgendwie" 
                ist sie "traurig", aber ansonsten steht einem zünftigen 
                Happy End nichts im Weg.
 Organisierte Drogenhändler geben auch in Rick 
                DeMarinis' ebenso komischem wie finsterem Kriminalroman 
                Kaputt in El Paso die Bösewichte. Aber damit endet 
                auch schon die Liste der Gemeinsamkeiten zwischen der Konfektionsware 
                des angehenden Bestsellerproduzenten Gross und einem Meisterwerk 
                des Genres, wie es DeMarinis, der laut Verlagsinformation mit 
                über 70 noch auf seinen "Durchbruch als Schriftsteller" 
                wartet, verfasst hat. Hauptfigur des Romans ist der ehemalige 
                Bodybuilder und Mister West Texas Uriah Walkinghorse, der ein 
                Auskommen als Hausmeister eines Apartmentblocks in El Paso gefunden 
                hat. Als er sich darauf einlässt, durch seine einschüchternde 
                Präsenz in einem Dominastudio für den nötigen Nervenkitzel 
                zu sorgen, findet sein doch recht trister Alltag ein plötzliches 
                Ende. Der Kunde, ein prominenter Bankier, hält der strengen 
                Behandlung nicht stand und erleidet einen Herzinfarkt. Ein peinlicher 
                Todesfall, den es zu vertuschen gilt. Walkinghorse akzeptiert 
                ein Schweigegeld und hilft mit, die Leiche an einen angemesseneren 
                Ort zu verfrachten. Doch damit fangen die Probleme erst an. Offenbar 
                findet es jemand gar nicht in Ordnung, dass der unfreiwillige 
                Zeuge seinen Scheck nicht umgehend eingelöst hat. Und dieser 
                jemand kennt noch ganz andere Mittel, seine Interessen durchzusetzen, 
                als mit Geld um sich zu werfen. Obwohl er davon mehr als genug 
                hat, denn er liefert eine Ware, auf die viele US-Bürger, 
                unter anderem Uriahs Stiefbruder, dringend angewiesen sind. Es 
                geht also um Drogen und darum, wie aus "schmutzigem" 
                Geld wieder ein einwandfreies Zahlungsmittel wird. Am besten geht 
                das, wenn man selbst eine Bank gründet. So eine wie die, 
                deren Top-Manager offenbar leider ein zu schwaches Herz für 
                masochistische Vergnügungen hatte.
 Belassen wir es bei diesem kurzen Einblick in den Inhalt des Romans. 
                Wichtiger ist die Art und Weise, wie DeMarinis seinen Helden, 
                der auch als Erzähler fungiert, einsetzt, um das satirische 
                Porträt einer aus den Fugen geratenen Gesellschaftsordnung 
                zu zeichnen. Zu der es allerdings keine wirkliche Alternative 
                zu geben scheint. Angesichts dieser Erkenntnis werden die Sympathieträger 
                des Romans aber nicht fatalistisch. So bringt Uriah seinen drogensüchtigen 
                Stiefbruder in einer Entzugsklinik unter, obwohl er sich nicht 
                viel davon verspricht, und der Ex-Dozent und Kneipenwirt Güero 
                wird weiterhin Beispiele für den falschen Gebrauch des Partizips 
                an die Pinnwand seiner Bar hängen, trotz seines mehr als 
                pessimistischen Menschenbildes. Kaputt in El Paso ist ein 
                exzellentes Beispiel dafür, was große Kriminalliteratur 
                vermag. Und es ist bezeichnend, dass Frank Nowatzkis kleiner Pulp 
                Master Verlag dieses Buch deutschen Lesern zugänglich macht, 
                während die großen Häuser in ihrer Fixiertheit 
                auf programmierte Bestseller dafür sorgen, dass die Ramschkisten 
                immer genügend Nachschub haben.
 In diesem Zusammenhang ist auch der Bielefelder Pendragon-Verlag 
                zu nennen, der an dieser Stelle schon wegen seiner Verdienste 
                um die Spenser-Romane Robert B. Parkers gelobt wurde. Hier erscheinen 
                auch veritable deutsche Krimis. Ein schönes Beispiel ist 
                Mechtild Borrmanns bedeutungsschwanger 
                betitelter, aber straff erzählter und gut konstruierter Polizeiroman 
                Morgen ist der Tag nach gestern. Kleve am Niederrhein: 
                In einem ausgebrannten Haus werden zwei Leichen gefunden. Einer 
                der Toten ist der Hausbesitzer Gustav Horstmann, ein sozial engagierter 
                ehemaliger Lokalpolitiker. Die zweite Leiche bleibt zunächst 
                unidentifiziert. Brisant wird der Fall, als auf einem PC im Keller 
                Bilder vermisster Kinder gefunden werden. Ist die wohltätige 
                Stiftung, für die Horstmann tätig war, nur ein Deckmantel 
                für kriminelle Aktivitäten? War der angesehene Bürger 
                etwa in Geschäfte mit Kinderpornographie verwickelt? Nüchtern 
                schildert der Roman die Arbeit der Kriminalpolizei, ohne dass 
                dies die Spannung mindern würde. Dabei bleiben die in anderen 
                Krimis so beliebten Exkurse in das Privatleben der Ermittler auf 
                das Notwendigste beschränkt. Zwei weitere Erzählstränge 
                widmen sich dem Vater eines der vermissten Mädchen und einem 
                scheinbar unbeteiligten Nachbarn des abgebrannten Hauses, der 
                großes Interesse an den polizeilichen Ermittlungen zeigt. 
                Gekonnt führt die Autorin diese Fäden in einem überraschenden 
                Finale zusammen. Bücher wie dieses beweisen, dass der heimische 
                Kriminalroman durchaus ein respektables Niveau erreichen kann, 
                ohne in skandinavischer Manier durch schieren Umfang Literarizität 
                zu signalisieren. Und das ist ein gutes Zeichen.
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